FILIALE

Julian Turner
Premium
Apr 5May 14 2022

 

In „Premium“ zeigt Julian Turner mit liebevollem Fingerzeig und humorvoller Infragestellung der Konventionen im Kunstbetrieb, was die Welt der aufgewerteten Gebrauchsgüter alles zu bieten hat. Vom Zen-Garten über Hotelbars, Rolex, fettmarmoriertem Kobe-Fleisch, Trüffel und Pata Negra Schinken, dem Benz mit Vorzugsausstattung und dem eigenen Weingut - Turner lädt ein: Ride the Premium Wind! 

Alltagsästhetiken in Motiven aus Lifestyle, Kulinarik, Architektur und Technik führt er in seiner Manier fort und zeigt in seinen Neuinterpretationen ihre hintergründige Anziehung.

Zitat, Selbstzitat und Materialzitat werden in Collagen, Modellen und Objekten miteinander verwoben, indem Fotos Objekte und Objekte Fotos mit gepaarten Materialinterpretationen ersetzen. Neue Bedeutungsebenen werden durch seine typische Manier, die sich als intendierte Amateurhaftigkeit beschreiben lässt, ergänzt. Gold- und Aluminiumfolie statt ihrer karätigen Varianten, Kaffeesatz statt Kies, Keramiplast statt Porzellan, self-made statt Readymade. Die silbernen Plaketten mit den Aufschriften „Avantgarde“, „Grand Edition“ und „Elegance“, die einige Arbeiten der Ausstellung zieren, gehen zurück auf die Ausstattungslinien der noblen Mercedes-Karossen. Im Ausstellungskontext von „Premium“ veredeln die aus profaner Aluminiumfolie gefertigten Schilder den abgehängten Fisch zum „Avantgardefisch“ und das Fleisch im Reifeschrank zum „Grand Edition Grill“.                         Der Delikatess-Kaviar der Metro-Eigenmarke „Aro“ im 5 kg Eimer offenbart erst durch seinen „doppelten Boden“ sein eigentliches Luxusgut, das derzeitige Objekt der Begierde, die Mehltüte der Fima „Diamant“. Das Bild „PREMIUM PREMIUM“ ist Turners Neuinterpretation eines Schaufensters der high fashion Marke „Miu Miu“. Neben dem umgedeuteten Markennamen im Titel übernimmt er in seiner Version auch die geschmackvoll arrangierte Auslage - weniger ist mehr, hier regelt das reduzierte Angebot das Begehren - mit einer einsamen Flasche feinstem „Chateau Turner“, Jahrgang 1985, im Display.

Mit der Arbeit, die den simplen Titel „Aufbewahrung“ trägt, greift Julian Turner die Stack-Serie der US-amerikanischen Minimal Art Koryphäe Donald Judd auf: in acht vitrinenartigen Kästen zeigt Turner die Fülle seiner Premium-Welt, wobei sich jeder Kasten einem bestimmten Themenbereich widmet. Statt der Judd’schen Ablehnung jedweder manuellen Herstellung, Komposition und Emotion sind es bei Turner eben genau diese Modi, die das Charakteristikum seiner Arbeiten ausmachen.

„Premium“ ist Julian Turners dritte Einzelausstellung in der FILIALE. In Hamburg geboren, immigrierte er vor langer Zeit nach Wien, wo er unter anderem bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe an der Akademie der bildenden Künste Wien studierte. Mit „Bar du Bois“, einem Hybrid aus Ausstellungsraum, funktioneller Bar und kollaborativem Kunstprojekt, hat er ein sich immer weiter entwickelndes Format ins Leben gerufen, das eine soziale Unterwanderung des Ausstellungsraums unternimmt.

Katharina Baumecker