FILIALE

Julian Turner
Treppenwitz der Geschichte
Sep 8Nov 3 2018

Zum Saisonstart der Frankfurter Galerien zeigt Julian Turner in der FILIALE einen Witz, der eigentlich keiner ist, denn der Treppenwitz fällt einem erst ein, wenn das potentielle Publikum schon lange verschwunden ist. Seine Zeit ist vorbei, bevor er angebracht werden kann. 

Zitat, Selbstzitat und Materialzitat geben sich die Hand. So ersetzen Fotos Objekte und Objekte Fotos, gepaart mit Materialinterpretationen. Das Foto von einem Drahtglasfenster verunklärt das Mauerstück, das dahinter durchscheint, die Scheibe vorm Foto ist verschmiert als blicke man durch das schmierige Gitterfenster selbst. Fotos von leeren Schaufenstern hängen neben dem realen Fenster im Untergeschoss der FILIALE und kommentieren den Blick, der ins Leere geht. Dass die FILIALE mit ihrer auffällig überdimensionierten Treppe der Auslöser dieses Treppenwitzes ist, liegt nahe. Wie auf der Einladungskarte befindet sich ein Brunnen, gekachelt mit Fotos von Kacheln, unter der Treppe, daneben eine Sitzbank, die zum Verweilen einlädt. Auf schrullige und feinfühlige Art werden hier Alltagsästhetiken fortgeführt und freigestellt, die erst in der Neuinterpretation ihren hintergründigen Charme zu offenbaren scheinen. So hängt eine Wurst an einer Angel aus einem Holzboot garniert mit einem Kleks Senf aus reinstem Turnergelb. Derrida und Benjamin klopfen an. Das Materialzitat ersetzt das Material und stellt das „Original“ in den Schatten und das Kunstwerk verwehrt sich der technischen Reproduzierbarkeit. 

Der vor langer Zeit nach Wien immigrierte Hamburger Julian Turner hat bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe studiert und in Wien die Bar du Bois ins Leben gerufen, einen wandernden Ausstellungsraum mit kulinarischem Anspruch. Seine Ausstellung ist die letzte, die im kleinen Glaspavillon der FILIALE stattfindet, bevor sie im November in die neuen Räume in der Stiftstraße 14 direkt gegenüber umziehen wird.  

Marina Rüdiger