Martin Kähler
CONTRAPPUNTO
Jun 24—Jul 29 2023
„Contrappunto" [ital.] oder Kontrapunkt ist ein musikalischer Begriff, der die Kombination von zwei oder mehr Melodien zu einem harmonischen Ganzen beschreibt. In Bezug auf die minimalistische zeitgenössische Bildhauerei kann „Contrappunto" als das Zusammenspiel von Elementen der Zerbrechlichkeit, des Gleichgewichts und des Minimalismus gesehen werden. Ähnlich wie eine musikalische Komposition kann eine minimalistische Skulptur aus mehreren Elementen bestehen, die zusammen ein kohärentes und harmonisches Ganzes ergeben.
Diese Harmonie, der gleichzeitig eine gewisse Polarität innewohnt, macht sich Martin Kähler in seinen Arbeiten zu eigen: Konstrukte aus vermeintlich stabilen Baustoffen und Fundstücken bilden einen harmonischen Akt, in dem auch das Beiläufige zur Strategie wird. Die einzelnen Elemente der Werkkörper arbeiten im positiven Sinne mit- und gegeneinander und erzeugen ein empfindliches Gleichgewicht, das einerseits in sich ruht und andererseits im nächsten Moment zu kollabieren droht. Ein wiederkehrendes Element seiner Arbeiten sind die vom materialimmanenten Alterungsprozess gezeichneten Eisennägel, die einstig italienische Kruzifixe zusammenhielten. In der Arbeit „Semicerchio su Semicerchio“ dienen sie ihrer Funktion und fügen die beiden metallischen Halbkreise zu einem poetisch anmutenden fragilen Ganzen. Das empfindliche Gleichgewicht der Elemente innerhalb des Werkkörpers sowie die räumliche Platzierung der Arbeiten im Ausstellungsraum, die eine Verortung des eigenen Körpers provoziert, erzeugen eine Spannung und tiefere Beschäftigung mit seiner künstlerischen Strategie: Fragilität konterkariert Stabilität und evoziert – in den Raum gebracht - Poesie.
„Contrappunto“ ist Martin Kählers fünfte Einzelausstellung in der FILIALE. Er studierte an der Gerrit van Rietvelt Akademie in Amsterdam und an der Städelschule Frankfurt bei Tobias Rehberger, wo er 2016 sein Studium abschloss. Kähler lebt und arbeitet in Bergamo und Heidelberg.
Katharina Baumecker