Robin Stretz
Complex
Sep 2—Nov 4 2023
Eine bieder erscheinende Sitzgarnitur aus dem Neckermann-Katalog Herbst/Winter von 1999/2000 bildet den Ausgangspunkt von Robin Stretz‘ zweiter Einzelausstellung „Complex“ in der FILIALE. Das grüne Sofa und die zwei dazugehörigen Sessel wurden im Jahr 2000 für die Klasse von Jason Rhoades gekauft und in die Bildhauerateliers der Städelschule in der Daimlerstraße gebracht. Bis heute sind diese Möbel dort verblieben, nur über die Dauer der Ausstellung entliehen und im Galerieraum in der Stiftstraße 14 platziert. Im spannungsgeladenen Verhältnis zwischen Ready-made, Relikt und Requisite laden die Objekte dazu ein, benutzt zu werden.
Robin Stretz nutzt in „Complex“ die Infrastruktur des Ausstellungsraumes und die Abläufe der FILIALE,
um einen Werkkomplex zu schaffen, der die Strukturen der Galerie präzise aufnimmt, erweitert und reflektiert. Im regulären Ausstellungsbetrieb wird zu jeder laufenden Ausstellung ein Dokumentationsheft publiziert, in welchem der Pressetext und die Installationsansichten abgedruckt sind. In „Complex“ dient das Heft vor allem der Kontextualisierung der gezeigten Objekte und ist ein gleichberechtigter Teil der Ausstellung. So sammelte Robin Stretz die Anekdoten, die über Jason Rhoades‘ Gastprofessur an der Städelschule und rund um diese Möbelstücke kursieren, und präsentiert diese im Booklet als lose Anordnung kurzer Texte. Robin Stretz dokumentiert diese Anekdoten, ohne sie auf Wahrheit oder Vollständigkeit zu überprüfen und ohne sie zu romantisieren oder über sie zu urteilen. Sein besonderes Interesse liegt dabei, wie in fast allen seinen Arbeiten, in dem Bereich zwischen Dokumentation und Fiktion. Das Layout der Publikation spiegelt die Aufteilung der Ausstellung über die beiden Galerieräume der FILIALE wider.
Im zweiten Teil der Ausstellung im Galerieraum der Stiftstraße 9 hat Robin Stretz die fotografischen Ausstellungsansichten aus der Stiftstraße 14 installiert. Die Perspektiven der Fotografien und die Reihenfolge der Hängung orientieren sich an den immer wiederkehrenden Einstellungen der Ausstellungsaufnahmen in der FILIALE.
Die Videoarbeit „Trailer for Complex“ dient zum einen als Ankündigung für die Ausstellung, funktioniert zum anderen aber auch als Referenz zu Rhoades’ Ausstellung im Portikus von 2001, die den Abschluss seiner Gastprofessur bildete und sich unter anderem um Kevin Costner drehte. Indem Robin Stretz die Couch als Greenscreen und somit als Projektionsfläche für Szenen aus Costners Filmografie nutzt, bezieht er sich auf die „Costner-Zentrifuge” mittels derer Rhoades eingelegtes Gemüse mit Costners Gesamtwerk bestrahlte.
Mit „Complex” präsentiert Robin Stretz eine Gruppe von Arbeiten, die vermuten lassen, dass Rhoades nicht nur Gemüse mit Kevin Costners Essenz angereichert hat, sondern auch, wie bei dem Cliché des missglückten Experiments, seine eigene Aura auf das Neckermann-Sofa übertragen wurde.
Robin Stretz (*1996) schloss 2022 sein Studium an der Städelschule in der Klasse von Tobias Rehberger ab. Zuvor war er Teil der Klassen von John Skoog und Tamara Grcic an der Kunsthochschule Mainz. 2021 erhielt er das Residenzstipendium der Villa Aurora in Los Angeles.